Gestern Abend bin ich noch bis nach Mitternacht im Zimmer rumgeturnt, habe gelauert und dann mit den Badelatschen zugeschlagen. Immerhin habe ich so noch mindestens vier Mücken erlegt, die mich ansonsten in der Nacht wieder sehr zerstochen hätten. Insgesamt habe ich dort in dem Hotel keine Nacht gut geschlafen. Im Zimmer war es heiß, bei offenem Fenster konnte man wegen des Verkehrslärms auf der Ortsdurchfahrtstraße draußen gelegentlich das eigene Wort nicht verstehen und außerdem hatte man dann das ganze Zimmer voller Mücken.
Mein Problem ist es nun aber nicht mehr, denn heute habe ich meine Heide-Quartieretwas weiter nördlich verlegt. Nicht, weil ih vorher geahnt hätte, dass die Nächte im Best Western Hotel Heidehof in Hermannburg turbulentundwenig erholsamsein würden, sondern weil ich die Zeit nutzen wollte, um noch eine zusätzliche Erfahrung mit den UNterkünften und gastronomischer Versorgung in der Lüneburger Heide machen wollte. Deswegen habe ich heute wieder das Motorrad bepackt und bin ich die zwei Dutzend Kilometer in den Heidekrei gefahren, wo ich nun im Akzent Hotel "Zur grünen Eiche" zweimal übernachten werde.
Reisetagebuch
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Es ist nicht immer leicht, eine Motorradtour durch eine Region und die Orte, die man dort besucht einem gemeinsamen Thema zuzuordnen und mit einem griffgen Titel zu versehen. Ich neige tendenziell immer zu einem eher ironischen Überbegriff, aber allein die heutige Station hätte das nicht zugelassen. Denn heute habe ich die Holocaust-Gedenkstätte Bergen Belsen besucht. Die Gedenkstätte ist einfach zu erreichen, die Mitarbeiter des Dokumentationszentrums sind sehr hilfesbereit und der Eintritt ist kostenlos. Bergen-Belsen war nicht nur ein Konzentrationslager, sondern auch ein Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten. Zehntausende starben dort unter den inhumanen Lebensumständen. Ich habe den Erinnerungsort Bergen-Belsen auch besucht, weil ich seit meiner Schulzeit weiß, dass Anne Frank dort gestorben ist. Ihr Tagebuch war bei uns Pflichtlektüre und ihre für ihr Alter erwachsener und gleichzeitig lebensfroher, träumischer Blick auf sich, die Menschen um sie herum und die Situation in der sie lebten, bewegte mich damals und tut es bis heute. Der Gedenkstein für sie und ihre Schwester steht auf dem Lagergelände neben vielen anderen Gedenksteinen von anderen Menschen, die dort ihr Leben verloren. Ihr tatsächliches Grab hat sie wie die allermeisten vermutlich in einem der gewaltigen Massengräber gefunden, die wie Grabhügel das ehemalige Lagergelände prägen.
GUt ein Dutzend Mückenstiche zähle ich heute Morgen. Die Nacht war sehr anstrengend, denn die Zimmer im Best Western Hotel Heidehof sind ziemlich aufgeheizt. Bei geöffnetem Fenster kommen blutrünstige Stechmücken hinein. Außerdem sind die direkt vor dem Fenster vorbeifahrenden Landmaschinen und Lastwagen so laut, dass man ständig aus dem Schlaf hochschreckt. Bei geschlossenem Fenser hatte ich dann also die Mücken und die Wärme und entsprechend unruhigen Schlaf. Das macht aber nichts, denn das freudliche Personal, das gute Frühstück und der vor mir liegende Tag weckten zusätzliche Energien in mir. Denn heute wollte ich zur Unglückstelle von Eschede. Dort war im Sommer 1998 ein ICE entgleist und in einen Brückenpfeiler gekracht. 101 Menschen verloren damals ihr Leben. Nachdem ich gestern schon den Gedenkstein für die beim Br
Gestern verbrachte ich den Tag auf dem Motorrad im Regen. Mal mehr mal weniger in den bekannten verschiedenen Arten von Regen. Aber eben immer Regen. Meine BÜSE-Textilkleidung ist nach wie vor dicht, so dass das Wetter sich für mich immer nur draußen abspielt. Ich bleibe trocken. Die tiefhängenden Wolken im Werratal mit gleichzeitig weitem Blick über die Hügel und den Dunst, der über ihnen steht, haben durchaus ihren Reiz. Aufenthaltsqualität im Freien gibt es deshalb trotzdem keine und irgendwann kommt der Punkt, wo auch dichte Mototrradkleidung durch die Verdunstungskälte einfach unangenehm wird. Auf den gut 250 Kilometern Heimfahrt mit einem langen Autobahnabschnitt durch die Kasseler Berge war das besonders deutlich zu merken: Bei Nässe, Temperaturen unter 15° C und Geschwindigkeiten über 100 km/h geht es eigentlich nur noch um Physik und nicht mehr um die Ausrüstung. Die verzögert das Auskühlen dann nur noch. Glücklicherweise war nach dem Kinzigtal als Trennlinie zwischen Vogelsberg und Spessart auch die Wetterscheide erreicht und die Fahrt, die seit zwei Tagen von tiefhängenden Wolken, Nebel und Regen geprägt war, endete mit strahlendem Sonnenschein.
Heute Morgen hingen die Baumwipfel dick im Wolkenqualm. Ein Zustand, der sich den ganzen Tag über nicht mehr änderte. Von Rheinhausen bei Göttingen fuhr ich nach Süden Richtung Friedland. Denn heute sollte meine Werratal-Eichsfeld-Tour nicht nur endlich an die Werra gelangen, sondern auch ihre zeitgeschichtliche Prägung erhalten. Hier im Dreiländereck von Niedersachsen, Thüringen und Hessen lässt sich die deutsche Geschichte des zurückliegenden Dreivierteljahrhunderts besonders anschaulich nachvollziehen. So führte mich die erste Station ins nur gut 20 Kilometer entfernte ehemlaige Grenzdurchgangslager Friedland. Eröffnet wurde es am 20. September 1945 vor dem Hintergrund der erzwungen Massenmigrationen am und nach dem Ende des Zwiten Weltkrieges. Gut 4 Millionen Menschen haben dieses Durchgangslager seitdem passiert. Kriegsflüchtlinge, Heimatvertriebene, Displaced Persons, entlassene Kriegsgefangene, Ausgewiesene und Spätaussiedler. Nach dem ich mich dort etwa eineinhalb Stunden damit beschäftigt hatte, meiner Videotechnik Herrin zu werden, günstige Moderationstexte einzusprechen und in der feucht-warmen Luft zu schwitzen, fuhr ich zum sowohl thematisch als auch geografisch naheliegenden Heimkehrerdenkmal. Es erinnert an die Rückkehr der 1955 entlassenen letzten Kriegsgefangenen. Der Regen ließ nicht nach. Aber die Strecke mit ihren schmalen Sträßchen, sanften Kurven mit trotz oder gerade wegen Dunst und Wolken sehenswerten Panorama entschädigte dafür einigermaßen. Unterkunft habe ich heute in dem verblassenden Kurort Bad Sooden-Allendorf gefunden. Im dortigen Parkhotel am Schwanenteich habe ich die Schwäne zwar noch nicht gesehen, höre aber die ausdrucksstarken Frösche, während ich diese Zeilen schreibe.
Nachdem ich die letzten beiden Tage schon mehr als die Hälfte meiner Werratal-Eichsfeld-Rundtour abgefahren und mehrere Varianten für die abschließende Route ausgetestet habe, kann ich mir heute einen Tag Pause können. Sowohl die Wettervorhersage als auch der Blick aus dem Fenster versprechen heute Regenschauer. Das Motorrad habe ich gut verpackt abgestellt und nutze den Tag um das Filmmaterial von gestern durch zu sehen und aufs Wesentliche einzudampfen. Außerdem kann ich mal meine Packliste für einwöche Touren aktualsieren. Denn am dritten Tag weiß man noch, was man zusätzlich eingepackt hat und was noch fehlt.
Erstes Ziel des heutigen Motorradtages war es, wieder in die gestern unterbrochene Tour durch das Werratal und das Eichsfeld einzusteigen. Weil es gestern schon so spät war, habe ich die Tour schon in Heiligenstadt unterbrochen und bin zu meiner Unterkunft gefahren. Das bedeutete heute morgen, wieder zurück nach Heiligenstadt zu fahren. Die Route nach Heiligenstadt und dann wieder auf die eigentliche Strecke hatte ich gestern Abend noch schnell am Routenplaner zusammen gebastelt. Das sollte ich heute Morgen bereuen. Dann von Heiligenstadt fuhr ich auf einmal auf die Autobahn, was selbstverständlich nicht so vorgesehen war. Als eine Sehenswürdigkeit heute auf der Tour hatte ich die mittelalterliche Burg Bodenstein vorgesehen, doch dort angekommen war keine Burg zu sehen. Daraus schloß ich das man entweder noch ein Stück über den Parkplatz hinaus fahren musste oder sogar zu Fuß weitergehen sollte. Das Weiterfahren über den Parkplatz hinaus eröffnete mir aber eine legale und durchaus sehenswerte Offroad-Strecke, auf der ich das erste Mal auf dieser Tour die Assistenzsysteme der GS vom Straßen-Modus in den Enduro-Modus umschalten konnte. Das hatte ich eigentlich auf dieser Rundreise nicht erwartet. Erfreulicherweise war dieses Stück abseits asphaltierter Straßen nur der Auftakt für eine noch längere Offroad-Etappe. Nach ein paar Kilometern auf der Straße führte mich der Weg wiederum auf eine legale Offroad-Piste, die es dann wirklich in sich hatte. Von wassergebundener Oberfläche ging es auf Schotter, auf losen Schotter, der teilweise sogar geröllig war. Dann urplötzlich auf einen grünen Feldweg und später auf eine zweispurige Fahrbahn aus Rasengittersteinen, die teilweise so sehr überwachsen war, dass man nicht immer rechtzeitig unter den herabhängenden Ästen durchtauchen konnte. Eine tolle Erfahrung, denn im Herzen von Deutschland und einer so ausgeprägten Kulturlandschaft wie dem Eichsfeld hatte ich nicht mit solchen Strecken gerechnet.
Heute ging es endlich wieder los zu einer Tour, an der ich jetzt lange genug rumskizziert hatte. Irgendwann muss man das Routenplanerprogramm auch einfach mal zumachen und losfahren. Heute ist also der erste von insgesamt fünf Tour-Tagen. Er wird im Wesentlichen von der etwa 220 Kilometer langen Anfahrt über die Autobahn geprägt sein. Dazu kommen dann noch etwa 100 Kilometer auf dem Rundkurs bis zum ersten Etappenziel. Auf der Anfahrt kann man zwei Dinge falsch machen:
- So übermotiviert die Kilometer in Richtung Zielgebiet runterbrettern, dass man dort angekommen kaum noch Freude daran hat. Oder
- So sehr trödeln, dass man in der Tourregion schon einen platt gesessenen Hintern hat, völlig hinter dem Zeitplan hinterherhinkt und abkürzen muss, um noch halbwegs rechtzeitig am Etappenziel anzukommen.
Ich neige zu beidem und habe in beiden Varianten schon über Gebühr Erfahrungen gesammelt. Deshalb war ich erleichtert, dass ich schon nach halber Strecke auf der Autobahn ein Reiseenduro-Duo entdeckte, die mit zügigem aber sicherem Tempo Schritt machten. Ich heftete mich an ihre Hinterreifen und zog mit. Gewissermaßen ein parasitäres Fahrverhalten, denn man spart sich den regelmäßigen Blick auf die Geschwindigkeit und die Fragestellung, wann man zum Überholen ansetzen soll. Wie an einer Perlenschnur rollte ich den beiden hinterher und sparte mir das Denken. So sind dann auch eine dröge Autobahnfahrt auf dem Motorrad über ein paar Hundert Kilometer so entspannend wie Yoga auf zwei Rädern.