3/4-Jahrhundert Deutschland - 4. Tag Werratal-Eichsfeld Rundtour

Heute Morgen hingen die Baumwipfel dick im Wolkenqualm. Ein Zustand, der sich den ganzen Tag über nicht mehr änderte. Von Rheinhausen bei Göttingen fuhr ich nach Süden Richtung Friedland. Denn heute sollte meine Werratal-Eichsfeld-Tour nicht nur endlich an die Werra gelangen, sondern auch ihre zeitgeschichtliche Prägung erhalten. Hier im Dreiländereck von Niedersachsen, Thüringen und Hessen lässt sich die deutsche Geschichte des zurückliegenden Dreivierteljahrhunderts besonders anschaulich nachvollziehen. So führte mich die erste Station ins nur gut 20 Kilometer entfernte ehemlaige Grenzdurchgangslager Friedland. Eröffnet wurde es am 20. September 1945 vor dem Hintergrund der erzwungen Massenmigrationen am und nach dem Ende des Zwiten Weltkrieges. Gut 4 Millionen Menschen haben dieses Durchgangslager seitdem passiert. Kriegsflüchtlinge, Heimatvertriebene, Displaced Persons, entlassene Kriegsgefangene, Ausgewiesene und Spätaussiedler. Nach dem ich mich dort etwa eineinhalb Stunden damit beschäftigt hatte, meiner Videotechnik Herrin zu werden, günstige Moderationstexte einzusprechen und in der feucht-warmen Luft zu schwitzen, fuhr ich zum sowohl thematisch als auch geografisch naheliegenden Heimkehrerdenkmal. Es erinnert an die Rückkehr der 1955 entlassenen letzten Kriegsgefangenen. Der Regen ließ nicht nach. Aber die Strecke mit ihren schmalen Sträßchen, sanften Kurven mit trotz oder gerade wegen Dunst und Wolken sehenswerten Panorama entschädigte dafür einigermaßen. Unterkunft habe ich heute in dem verblassenden Kurort Bad Sooden-Allendorf gefunden. Im dortigen Parkhotel am Schwanenteich habe ich die Schwäne zwar noch nicht gesehen, höre aber die ausdrucksstarken Frösche, während ich diese Zeilen schreibe.