Wer hinten fährt, den fressen die Löwen

Moto Safari Uganda - Äquatorüberquerung

Die nächste Etappe dieser Motorrad-Safari durch Uganda führte mich heute hinaus aus dem Kibaale Nationalpark in die Stadt Fort Portal (43.000 Einwohner). Dort sollten an der Tankstelle an mehreren Motorrädern noch Instandsetzungsarbeiten vorgenommen werden. In der Zwischenzeit besuchten wir einen Markt. Schon vor einigen Jahren ist mir bei einer Reise durch Tansania aufgefallen, wie beschränkt das Angebot an Gemüse ist. Man sollte annehmen, dass im fruchtbaren Boden der Region einiges gedeiht. Doch das Angebot besteht im Wesentlichen aus Auberginen, Tomaten, Karotten, Zwiebeln, Maniok, Süßkartoffeln, "irischen" Kartoffeln (also unseren) und zwei Kohlsorten. Was anderes ließ sich auf diesem riesigen Markt-Gelände trotz der vielen Stände nicht finden. Wir standen noch ein etwas im einsetzenden Regen herum und liefen schließlich zurück zur Tankstelle. Dort mussten wir erst einmal rumgammeln. Alle stopften wertlose Snacks in sich rein und begossen sie mit Softdrinks.
Als es nach Abschluss der dringendsten Reparaturen weiterging, überquerten wir bald den Äquator auf die Südhalbkugel. Fast exakt zur Mittagszeit trafen wir dort ein und die Temperaturen waren entsprechend hoch. Natürlich mussten dennoch die gebotenen Fotoaufnahmen auf der Linie gemacht werden. Noch interessanter war jedoch das sogenannte „Coriolis-Experiment“. Zwei metallene Halbschalen standen jeweils auf der Nordseite und auf der Südseite etwa im Abstand von 10 Metern zum nullten Breitengrad. Diese Entfernung sollte ausreichen, um eingefülltes Wasser durch ein Loch in der Schalenmitte einmal rechtsrum und einmal linksrum abfließen zu lassen. Direkt auf dem Äquator passierte nichts und das Wasser lief ohne Wirbel ab.
Unsere Schulbücher aus dem Physikunterricht waren durch dieses Experiment nur scheinbar durch die Realität bestätigt. Denn tatsächlich reicht die durch die Drehbewegung der Erde hervorgerufene Coriolis-Kraft nicht aus, um in kleinen Schalen Wasserstrudel in unterschiedlichen Richtungen hervor zu rufen.

Als ich mir meine Video-Aufnahmen erneut durchsah, stellte ich fest, das der einheimische „Wissenschaftler“ das Wasser einfach aus unterschiedlichen Richtungen eingegossen hatte und so die Drehung des abfließenden Wassers herbei manipuliert hatte. Nichtsdestotrotz war die Physikstunde eine gute Gelegenheit gewesen, um für einen Moment aus dem Sattel zu kommen. Nun jedoch setzen wir die Fahrt in den Queen Elizabeth Nationalpark fort. Die Zufahrt zum Park führte über eine etwa zwei Kilometer lange Schotterpiste, auf der sich unser Team-Ältester Bruce hat einen Platten Hinterreifen einfing. Die Sonne brannte, doch getrieben durch die zahlreichen Fachkundigen war der Mantel schnell mit dem Seitenständer von der Felge gedrückt und der Schlauch getauscht. Eine Lauge aus Wasser und gutem Aloe-Vera-Haarshampoo erleichterte dann nicht nur das Aufziehen des Mantels, sondern pflegte dabei auch noch unsere Hände beim Reinfummeln des Ventils.
Wir verließen den Ranger-Posten an der Zufahrt des Nationalparks und bogen auf den schmalen Weg durch die Savannenlandschaft ein. Schon mehrere Tage war kein Regen mehr gefallen und der dunkle, oft lose Erdboden trocken genug, dass wir auch mit den schwereren BMW-Maschinen sorglos alle Erosionsrillen, Senken und Schlaglöcher durchfahren konnten.

Kaum zu sehen, aber da - der Löwe im Hintergrund
Kaum zu sehen, aber da - der Löwe im Hintergrund

Woran er es merkte, weiß ich nicht. Doch mit einem Mal hielt der an der Spitze fahrende Ranger seine kleine rote Yamaha-Enduro an und zeigte auf ein Gebüsch, etwa zehn Meter im Durchmesser. Darin säße ein männlicher Löwe. Alleine umrundete der Wildhüter die Busch-Insel und tatsächlich kam die Raubkatze bald daraus hervor geschlendert. Ohne uns große Beachtung zu schenken, flanierte der Löwe durch das Grasland. Jetzt gingen wir komplett „offroad“, verließen den Weg und pflügten mit den Motorrädern querfeldein durch das kniehohe Gras. Ich wusste, dass wir wahrscheinlich so etwas machen würden und hatte mich etwas davor gefürchtet. Aber der Boden war fest und eben. Im Stehen konnte man locker im dritten Gang fahren. Um den wenigen Hindernissen auszuweichen, war ausreichend Platz da und die betonharten Pyramidentürme der Termiten außerdem kaum zu übersehen. Wir ließen den König der Savanne in etwa 50 Metern Entfernung querab weiterspazieren und stießen bald wieder auf einen Weg. Neben zahlreichen Antilopen sahen wir auch den Kaffernbüffel und hatten damit schon den zweiten Vertreter der sogenannten Big Five Afrikas abgehakt.

Jetzt bekam der Ranger richtig Lust uns abzuhängen. Für unsere Truppe war es die erste richtige gemeinsame Offroad-Erfahrung der Tour und das Feld zerfiel bald in zwei Teile. Vor der Einfahrt in den Nationalpark wurde uns eingebläut, keinesfalls schneller als 40 Kilometer pro Stunde zu fahren. Doch der Ranger vor mir war längst bei 60. Schnell begeisterte ich mich ebenfalls für diese spontane Offroad-Rally. Mike, der schon zweimal die Dakar bestritten hatte, hing wie am Seil dicht hinter mir. Nach ihm war niemand mehr in den Spiegeln zu sehen. Waffengleichheit herrschte nicht. Ranger Richard war mit der leichten Enduro klar im Vorteil gegenüber unseren beiden 1150er Boxern. Manchmal zog er bis 80 km/h hoch. Doch in einer unvorhersehbaren, eckigen 90-Grad-Kurve hinter einem Gebüsch flog er fast selber in die Landschaft, schaffte es gerade so und grinste mich mit unübersehbarer Freude an unserer kleinen Dreier-Verfolgungsjagd an. Bevor wir es aber ganz bunt treiben konnten, erreichten wir die Gebäudeansammlung der Nationalpark-Verwaltung und wir kamen wider Willen zur Vernunft. Als auch die anderen Nachzügler dort eingetroffen waren, fuhren wir an das nahegelegene Ufer des natürlichen Kazinga-Kanals, der den Lake George mit dem Lake Albert verbindet. Dort war unsere Unterkunft für die kommenden beiden Nächte. Wir entspannten gemeinsam auf der großen Veranda mit Blick aufs Wasser. Abendessen war immer für sieben Uhr angemeldet. Doch in keiner unserer Herbergen saßen die gastronomischen Handgriffe beim Personal gut genug, um vor neun etwas auf den Tisch zu bringen. Ebenfalls etwas, dass mir schon in Tansania aufgefallen war. Kein wirkliches Problem, denn wir hatten vorgesorgt und verdarben uns den Appetit mit nährstoffarmen Chips und Keksen.
Im Zimmer bemerkte ich, dass hier sowohl die örtliche Kakerlake (ich hatte immer nur eine im Bad) als auch die Mücken etwas größer waren. Auch zahlreiche Geckos hatten sich eingefunden, wuselten an den Wänden entlang und zwitscherten ihre Liebeslieder. Durch das Mosquitonetz sah ich am südlichen Himmel den Feuerschein eines Buschbrandes hinter dem Horizont.