Ich habe meinen Sachen schon zusammen gerafft, denn diese XChallenge hat es trotz aller Reparaturversuche hinter sich

Moto Safari Uganda - Pannenserie

Die Nacht war kurz und fand bereits um 4 Uhr ein unnatürliches Ende. Das frühe Aufstehen war notwendig, denn gegen 5 Uhr morgens vor der Rush Hour mussten wir Ugandas quirlige Hauptstadt Kampala bereits verlassen haben. Ansonsten würden wir dort als Gruppe im morgendlichen Stoßverkehr untergehen nicht mehr gemeinsam herausfinden. Der chaotische Stadtverkehr lässt es schlichtweg nicht zu, zehn Motorräder über eine längere Zeit zusammen zu halten. Schon um kurz vor 5 standen wir deshalb alle parat und konnten den Tour-Beginn kaum erwarten. Doch Warten ist in Uganda eine Kernkompetenz, dir wir gleich zu Beginn an den Tag legen mussten. Ausgerechnet der einheimische Guide und versierte Mechaniker, der nur zehn Minuten entfernt wohnt, hatte mit seinem Motorrad einen Platten und musste seine schwere Boxer-GS erst zur nächsten Tankstelle schieben, um dort den Reifen zu flicken. Um halb sechs traf er ein und wir starteten. Der Verkehr war glücklicherweise noch nicht der Rede wert. Mein Zweirad aber schon. Eine BMW 650 Xchallenge. Von den 3899 Ausführungen, die davon gebaut worden waren, hatte eine davon nach Uganda gefunden. Laut Tacho hatte sie bislang 40.000 Kilometer unter sich gelassen, sah aber nach 140.000 Kilometern aus. Die Beleuchtung war bis auf das Standlicht vorne und das Bremslicht nicht vorhanden, der Sound nahe am Presslufthammer und wenn ich den Motor anließ, war von den anderen Bikes nichts mehr zu hören. Schon nach dem ersten Kilometer merkte ich, dass die Zündung immer mehrere Sekunden aussetzte, um dann ruckartig wieder einzusetzen. Die Fahrt bis zur ersten Mautstation glich einem Rodeo-Ritt. An der Schranke angekommen, ging die Enduro aus und ließ sich nicht mehr starten. Ein Schicksal, dass auch einen weiteren Mitfahrer auf seiner GS ereilte.

Das Begleitfahrzeug mit Überbrückungszubehör und Ersatzteilen war selbst schon mit überhitztem Kühler liegen geblieben. Bis es schließlich eintraf, standen wir hinter der Autobahnmautstelle und besahen den Sonnenaufgang bei noch am Himmel stehenden Vollmond. Bei der anderen widerspenstigen Reise-Enduro wurde ein überalteter Anlasser diagnostiziert, der der ebenso alten Batterie zu viel abverlangte. Er war in Windeseile getauscht und das Motorrad wieder fahrbereit. Meine 650er wurde überbrückt und sprang an, ohne dass die Ursache behoben worden wäre, indem

Pius tauscht den Anlasser schneller, als ich ihn überhaupt gefunden habe
Pius tauscht den Anlasser schneller, als ich ihn überhaupt gefunden habe

beispielsweise eine neue Batterie eingesetzt worden wäre. Die nächsten 100 Kilometer führten uns in von vielen Koch-Feuern rauchgeschwängerter Luft weg vom riesigen Victoria-See hinaus in den hügeligen Westen Ugandas. Selten waren entlang der Straße keine Hütten in nah und fern zu erkennen. Dennoch nahm die Besiedelung nun spürbar ab. An einer Tankstelle reihten wir uns zum Spritfassen auf und ich musste den Motor notgedrungen abstellen. Natürlich sprang er danach nicht wieder an. Das Gelände ausnutzend ließen wir das Motorrad bergab Fahrt aufnehmen, um sie so anzuwerfen, aber sie regte sich nicht. Ein Lastwagenfahrer hatte schließlich zwei Kupferkabel, mit denen wir von einem anderen Motorrad zu meinem überbrückten. Meine XChallenge lief wieder. Während ich mit der einen Hand ständig 3000 Umdrehungen hielt, machten wir uns fertig zu Weiterfahrt. Die Hälfte der Gruppe hatten wir bis dahin schon verloren. Sie waren mit einer gerissenen Kette schon vor einer Stunde liegen geblieben. Mittlerweile war es Mittag, das weit hinter uns zurückgebliebene Support-Fahrzeug hatte unsere Frühstückspakete an Bord. Uns allen knurrte der Magen und unser weniges Wasser war fast aufgebraucht. In der Umgebung war nach Auskunft des Tankwartes weder Essen noch Trinken zu bekommen, weshalb wir 60 weitere Kilometer zurücklegen mussten, um ein Gebäude mit "Restaurant"-Schild zu erreichen. Essen gab es dort wider Erwarten nicht, dafür war mein Motorrad erneut ausgegangen. Wir waren alle K.O. Nur der über 70-jährige Jonathan, mit dem ich vor drei Monaten schon auf meiner Vuelta Colombiana-Tour die Anden überquert hatte, war von einer Schar Kinder und Jugendlicher umgeben, mit denen er eine lebhafte Unterhaltung führte. „Ich halte Hof“, nannte er es. Irgendwoher konnte ein weiteres Mal eine Überbrückungskabel organisiert werden und wir fuhren nur zwei Kilometer weiter zu einer Tankstelle, um uns mit der anderen Hälfte der Gruppe zu treffen, die ein passendes Kettenglied aufgetrieben und zu uns aufgeschlossen hatten. Dieses Mal sprang meine Enduro von selbst an und wir traten die letzte Etappe des Tages und der über 300 Kilometer in den Kibaale Forest Nationalpark an. Bald leuchtete aber die Temperaturanzeige bei meinem Bike auf. Doch es gab nichts, was ich dagegen hätte tun können und wollen. Ohnehin war das Tischtuch zwischen mir und diesem Motorrad zerschnitten.

Mechaniker Pius vor Publikum
Mechaniker Pius vor Publikum

Tatsächlich war der Moment, der uns schlussendlich voneinander trennen würde, bald gekommen. Der Vortrieb brach mit einem Mal ab und ein metallisches Mahlen zeigte mir an, dass dieses Mal kein Überbrückungskabel der Welt dieses Motorrad wieder zum Laufen bringen würde. Ich rechnete mit einem bevorstehenden Kolbenfresser und zog sicherheitshalber die Kupplung, um nicht zu guter Letzt mit blockierendem Hinterreifen zu stürzen. Es waren wohl die Ventile, die durch die Hitze in den Zylinder hineinragten und nun vom Kolben abgesäbelt wurden. Nach einigem weiteren hin- und her mit anderen Batterien und Starterkabel wurde meiner Schadensdiagnose schließlich Glauben geschenkt und die XChallenger vorübergehend für tot erklärt. Als Ersatz bekam ich nun die 1150er BMW-Boxer des Tourenführers. Ein großer Gewinn im Vergleich zum brettharten Sattel der 650er. Eine Erleichterung als würde man von einer Kirchenbank auf ein Sofa wechseln. Der niedrige Schwerpunkt der beiden Boxermotoren und die geschmeidige Lenkung war außerdem das genaue Gegenteil der hochbeinigen und kurvensteifen Enduro. Mittlerweile waren wir nur noch zu zweit. Mike, der Däne, der mit seiner Freundin auf dem Sozius diese Motorradreise bestritt, hatte sie mit Hitzeerschöpfung an das Begleitfahrzeug übergeben. Mein restliches Trinkwasser goss ich ihr über den Kopf.
Wir konnten uns nun keine längeren Pausen mehr erlauben, denn es galt unbedingt vor Einsetzen der Dämmerung das Camp im Kibaale Nationalpark erreichen. Mir war noch in lebhafter Erinnerung, wie ich vor wenigen Monaten mit Mike in Kolumbien in Nebel und Dunkelheit die Serpentinen eines Andenkamm hinab fuhr. Das Risiko potenziert sich bei Dunkelheit um ein Vielfaches. Nach mehr als 12 Stunden im Sattel mit wenig Schlaf in der vorhergehenden Nacht wurde auch die Müdigkeit zunehmend zum Problem. Brisante Selbsttäuschung stellte sich ein. Wie etwa ein Auge einfach etwas zu schließen und nur mit dem anderen die Straße vor mir im Blick zu halten. Es ist nicht notwendig zu erwähnen, wie kurz davor man dann vor dem katastrophalen Augenblick steht, in dem beide Augen zufallen. Deshalb fuhr ich fortan im Stehen, um wach zu bleiben. Nun waren wir auch in den Bergwäldern angekommen und eine Horde Paviane bremste zwar für einen Moment unsere Fahrt, belebte dafür aber das Gemüt. Von der Straße ging es ab und einen holperigen Lehmweg hinab und wieder hinauf. Dann waren wir in dem Camp angekommen. Einfache Hütten standen am Ufer eines Sees, in dem Nilpferde gerade mit ihrem Propeller-Schweif ihren Dung im Wasser verteilten. An einer langen Tafel im Freien aßen wir zu Abend und schnell wurde es kühl, so dass wir uns schon kurz nach Sonnenuntergang in unsere Hütten zurückzogen, wo es nur noch wenige Wimpernschläge brauchte, um uns in den wohlverdienten Schlaf der Erschöpften sinken zu lassen.