Die Erschöpfung des erlebnisreichen Tages nahm mir gestern vor dem Einschlafen die Gelegenheit noch den Stimmen der Natur am paradiesischen Bunyonyi-See zu lauschen. Sowie ich das Mückennetz zugezogen und das Licht ausgeschaltet hatte, war ich auch schon in tiefen Schlaf versunken, aus dem ich erst nach Sonnenaufgang heute Morgen wieder erwachte. Das Bunyonyi Overland Resort, in dem wir die Nacht verbrachten, hält gemessen an seiner Abgelegenheit ein erstaunliches Frühstück bereit, nach dem wir ausreichend gestärkt den siebten Tourenabschnitt über 200 Kilometer in den Mburo Nationalpark beginnen konnten. Die von Erosionsrillen durchfurchte Serpentinenpiste gewährte uns keine Gelegenheit zum Warmwerden, so dass unser Fahrerfeld weit auseinanderriss. Dan und ich fuhren mit einigem Abstand voran, weil es ohnehin keine Abzweige gab, an denen wir falsch hätten abbiegen können. So nahmen wir uns die Zeit, um an einem Steinbruch zu halten, in dem auf urtümliche Weise der Knochenarbeit nachgegangen wurde. Die Region, die wir hier durchfuhren, ist auch berüchtigt für ihren ausbeuterischen und menschenunwürdigen Bergbau. Zwar war keine Spur von angemessenem Arbeitsschutz und vernünftigen Werkzeugen zu sehen, doch den furchtbarsten Beschreibungen über die Minen der Gegend entsprach diese hier nicht.
Die bald darauf beginnende Asphaltstraße bescherte uns noch einige rasante Kurven, die ich nutzte, um mir noch möglichst viel von Dans agiler Methodik im Sattel abzuschauen. Schon auf der letzten Tour in Kolumbien hatte ich viel von Seans Tipps und wohlmeinender Kritik profitiert und meine Kurventechnik in wenigen Tagen vervielfacht. Schon gestern hatte ich dann anschaulich „erfahren“, wie Schlamm- und Pfützenpassagen so kontrolliert wie eben möglich zu bewältigen sind. Man wählt den mutmaßlich tiefsten Punkt der Wasserstelle, wodurch Motorrad und Aufsassen zwar viel nasser und schmutziger werden, der Hinterreifen am tiefsten Punkt der Spurrille aber nicht mehr tiefer rutschen kann und deshalb eher die Spur hält.
Zunächst wurden meine jüngsten Offroad-Fertigkeiten jedoch nicht auf die Probe gestellt, denn die Strecke führte nun auf der ausgebauten Mbarara-Masaka-Road über lange Hügelan- und -abstiege weitgehend geradeaus. Hier bereitete mir die Kraft der in den beiden Boxerzylindern versammelten 1150 Kubikzentimeter große Freude; auch bergauf musste ich mir keine Gedanken machen, ob der gewählte Gang ausreichend Power für den Anstieg mitbrächte. Bei den gelegentlichen Überholsprints hatte ich ebenfalls jederzeit ausreichend Drehmoment zur Verfügung und freute mich nach erfolgreichem Einscheren über die knallenden Fehlzündungen zur Belohnung.
Nun fuhren wir nicht mehr durch Bergwälder, sondern unter einem weiten Himmel durch Buschland. Schließlich erreichten wir die Abzweigung zum Mburo Nationalpark. Die letzten Kilometer wurden noch einmal ein Hindernisparcours, der einige Raffinessen vorhielt, deren Bewältigung wir im Voraus besprachen. Die vorausliegenden wassergefüllten Schlaglöcher würden zu tief sein, um sie zu durchfahren. Weil sie an manchen Stellen aber den Pfad vollständig sperrten, mussten wir buchstäblich durch mit eingezogenen Köpfen durch das Gebüsch fahren. Auch lose Sandfelder sorgten noch einmal für phasenweise Anspannung. Zum Schluss fuhren wir überhaupt nicht mehr auf einem Weg, sondern querfeldein durch den Busch über das von ringsherum weidenden Longhorn-Rindern kurzgetrimmte Gras. Das Leopard Rest Camp bestand aus einem zweigeschossigen Holzbau mit zahlreichen künstlerisch gestalteten Sitz- Liege- und Chillout-Gelegenheiten. Drumherum im Busch verteilt standen geräumige Zelte, über denen Hüttendächer errichtet worden waren. Sogar ein eigenes Badezimmer zählte zu den „Glamping“-Zimmern. Toilettenschüssel, Waschbecken und Dusche befanden sich jedoch im Freien. Eingebettet in die weitläufige und gleichzeitig unübersichtliche Buschlandschaft sorgten unzählige Vögel und Insekten für Safari-Sound. Auch an diesem Abend konnte ich dem Konzert durch die Zeltwände nur wenige Strophen lauschen und versank nach einem weiteren abenteuerlichen Tag wiederum im Schlaf der Erschöpften.